Der Fall
Die Kläger und die Eheleute L. bilden die beklagte GdWE. Die Kläger sind gemeinschaftliche Sondereigentümer der Wohnung Nr. 1. Den Eheleuten L. gehören die Wohnung Nr. 2 und das Teileigentum Nr. 3 (Getränkehandel) ebenfalls nach Bruchteilen. Im rückwärtigen Teil des Anwesens befinden sich ein Gemeinschaftsgarten und ein PKW-Stellplatz, an dem den Klägern ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist. Zur öffentlichen Straße hin befindet sich ein Hofeinfahrtstor, das die Eheleute L. verschlossen halten. In einem Vorprozess erstritten die Kläger ein rechtskräftiges Urteil vom 16. Juni 2014, wonach die Eheleute L. als damalige Beklagte verurteilt wurden, den Klägern 2 Schlüssel für das Hofeingangstor zur Verfügung zu stellen und ihnen die Hofdurchquerung sowie den Zutritt zu ihrem PKW-Stellplatz und zu dem Gemeinschaftsgarten zu gewähren. Im Urteil wurde den Eheleuten L. eine Frist von 4 Wochen ab Rechtskraft zur Vornahme der Schlüsselherausgabe gesetzt und für den Fall, dass die Handlung nicht fristgerecht vorgenommen wird, sie als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 7.500,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Eheleute L. ließen die Frist verstreichen und erbrachten stattdessen die Zahlung an die Kläger.
Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage gegen den Negativbeschluss weist der BGH ab, da es unstreitig verschiedene Wege gibt, um den Klägern die begehrte Zugangsverschaffung einzuräumen, so dass keine Ermessensreduzierung auf Null vorlag. Erfolgreich war hingegen die Beschlussersetzungsklage. Laut BGH war es unschädlich, dass die Kläger Haupt- und Hilfsanträge stellten, da ihr Rechtsschutzziel insgesamt und klar erkennbar darauf gerichtet sei, durch das Überlassen von Schlüsseln für das Hofeingangstor Zugang zu erlangen, egal, ob mit Schlüsseln für das vorhandene Tor oder durch neue Schlüssel für ein ausgetauschtes neues Tor. Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Beschlussersetzung anstelle der Eigentümerversammlung seien daher zumindest für einen Grundlagenbeschluss gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Eheleute L auch nach rechtskräftiger Klärung des Anspruchs der Kläger auf Gewährung des Zugangs weiter weigern, an der Umsetzung dieses Anspruchs mitzuwirken, bestehen nach Ansicht des BGH nicht (Rn. 30 der Urteilsgründe).
Fazit für den Verwalter
Im Fall war kein Verwalter bestellt. Sollte ein Verwalter das Amt übernehmen, fände er den nicht nur bestandskräftigen, sondern sogar rechtskräftigen Grundlagenbeschluss vor. Dieser ist indessen nicht auf eine Leistung, also insbesondere nicht auf die Herausgabe von Schlüsseln, gerichtet, sondern als Gesamtakt (Beschluss) keine Vollstreckungsgrundlage. Gleichwohl ist die GdWE, organschaftlich vertreten durch den neuen Verwalter, rechtskräftig verurteilt, den Klägern die Möglichkeit einzuräumen, das Hofeinfahrtstor zu öffnen und zu schließen. Das Hofeinfahrtstor ist ein zwingender Bestandteil des gemeinschaftlichen Eigentums, die Schlüssel dürften Zubehör dazu sein. Die GdWE hätte demnach einen Herausgabeanspruch gegen die Eheleute L, der bei Weigerung gerichtlich durchgesetzt werden müsste. Die bereits vorliegenden Titel würden dafür nicht ausreichen.
Sollten sich bei den Verwaltungsunterlagen bzw. im Verwaltungsvermögen bereits Schlüsselkarten, Sicherheitskarten oder Ersatzschlüssel befinden, wäre der Verwalter berechtigt, für die GdWE Schlüssel an die Kläger herauszugeben.
Dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, nach welchem Verhältnis abgestimmt wurde. Dies kann letztlich dahinstehen. Bei Objekt- und Wertprinzip hätten die Eheleute L die Mehrheit, bei Kopfprinzip wäre es ein Stimmenpatt von 1:1, so dass der Beschlussantrag der Kläger jedenfalls abgelehnt war.
Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte
Man wundert sich, worüber im Wohnungseigentumsrecht gestritten wird. Die vorliegende Kleingemeinschaft ist ein abschreckendes Beispiel. Unverständlich ist, weshalb die Kläger nicht längst auf Bestellung eines unabhängigen Verwalters geklagt haben. Darauf haben sie einen Anspruch. Die GdWE wäre handlungsfähig und von einem neutralen Amtsinhaber geleitet.
Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der GdWE verpflichtet, die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen der Gemeinschaftsordnung und Beschlüsse einzuhalten (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Für die Eheleute L. bedeutet dies, dass sie daran mitwirken müssen, dass ihre Miteigentümer das Hofeinfahrtstor öffnen und schließen können. Gemäß dieser Tenorierung bedeutet dies freilich nicht zwingend, dass Schlüssel herausgegeben werden müssen. Es würde genügen, das Tor aufzuschließen und in einem unverschlossenen Zustand zu belassen, so dass es von Hand geöffnet und geschlossen werden kann.
Fazit für die Gemeinschaft
Sollten sich die Eheleute L. weiterhin quer stellen, müsste die GdWE – jedenfalls auf Antrag der Kläger – wohl eine Herausgabeklage gegen die Eheleute L. erheben. Grundsätzlich müssen streitige Ansprüche gerichtlich verfolgt werden, es sei denn die Rechtsverfolgung ist von vornherein offensichtlich aussichtslos. Dies wäre hier nicht der Fall. Überraschend klingt es, dass es nach Sicht des BGH keine Anhaltspunkte gibt, dass sich die Eheleute L. trotz des BGH-Urteils auch in Zukunft „quer stellen“ würden. Unstreitig hatten sie bereits lieber 7.500,00 EUR an die Kläger gezahlt, als das Tor aufzumachen.