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20.11.2023WEG-Recht Beschlossene „Ca.“-Sonderumlagen sind nicht zwingend nichtig

Mit Urteil vom 27.07.2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2-13 S 94/22 gab das Landgericht Frankfurt/Main in zweiter Instanz einer Zahlungsklage statt, die in erster Instanz vom Amtsgericht Friedberg abgewiesen worden war. Es ging um eine von der GdWE eingeklagte Sonderumlage in Höhe von 6.489,16 €.




Der Fall


Die GdWE fordert von den Beklagten, Eigentümern von insgesamt fünf Wohnungen, die Zahlung einer Sonderumlage. Laut dem Protokoll der Versammlung hat die GdWE am 16.12.2020 unter dem Tagesordnungspunkt 5.2 "Instandsetzung Außenanlage Gemeinschaftseigentum" eine Sonderumlage von etwa 18.000,00 Euro beschlossen. Die Zahlung sollte gemäß den Miteigentumsanteilen verteilt und bis zum 28.02.2021 fällig sein. Nach Ablauf der Frist wurde Klage erhoben. Das Amtsgericht wies die Klage ab, da der Beschluss aufgrund mangelnder Bestimmtheit als nichtig angesehen wurde. Der Beschluss enthielt keine klare Festlegung der Höhe der Sonderumlage, und es war nicht ersichtlich, welchen Umfang die finanzierte Maßnahme haben sollte. Die GdWE legte Berufung ein und gewann den Prozess.



Die Entscheidung


Die Entscheidung des Landgerichts lautet, dass der Beschluss nicht nichtig ist. Unter Anwendung objektiv-normativer Auslegungsgrundsätze, nach denen die Nichtigkeit aufgrund inhaltlicher Unbestimmtheit die Ausnahme ist und auf extreme Fälle beschränkt sein sollte, sei die Sonderumlage ausreichend bestimmt. Obwohl der Beschluss den genauen Betrag von 18.000,00 Euro nicht eindeutig angab, sei aus dem Gesamtzusammenhang der Beschlüsse ersichtlich, dass die Sonderumlage diesen Betrag ausmachen sollte. Der Beschluss erlaube somit eine nachvollziehbare Berechnung der Sonderumlage durch den Verwalter entsprechend den Miteigentumsanteilen.



Fazit für den Verwalter


Für den Verwalter ergibt sich, dass die Unbestimmtheit des Beschlusses als ein Mangel mit unterschiedlichen Schweregraden betrachtet werden kann, wobei leichtere Fälle nur zu Rechtswidrigkeit führen und fristgerecht mit einer Beschlussklage angefochten werden müssen. Im vorliegenden Fall hatte die Unbestimmtheit des Beschlusses jedoch keinen schwerwiegenden Charakter, da sie durch den Gesamtzusammenhang der Beschlüsse klargestellt werden konnte.

Wohnungseigentümer und Verwaltungsbeiräte sollten darauf achten, dass Beschlüsse über Sonderumlagen klar und ohne Zusätze wie "ca." gefasst werden, um Diskussionen über die Gültigkeit zu vermeiden.

Die Zahlungsklage der GdWE war in diesem Fall unsicher. Es hätte entweder sein können, dass der unangefochtene Sonderumlagebeschluss gültig und rechtskräftig war oder dass er nichtig war. Verwalter sollten die Eigentümergemeinschaft über dieses Prozessrisiko aufklären.

Fehlerhafte Versammlungsniederschriften können gelegentlich auftreten, und es ist wichtig, solche Ungenauigkeiten zu korrigieren, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Bei falschen "Ca.-Angaben" im Protokoll kann durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden, dass der Beschluss in der Versammlung ohne den Zusatz "Ca." gefasst wurde.



Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte


Für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte stellt sich häufig die Frage, warum in Beschlussanträgen oft Ca.-Angaben auftauchen. Dies hat oft damit zu tun, dass bei der Kostenschätzung und sogar bei späteren, detaillierteren Kostenberechnungen mit Ca.-Angaben oder Preisspannen wie "von ... bis ... EUR" gearbeitet wird. Bei der Vorbereitung von Sanierungsmaßnahmen und sogar bei der Entscheidungsfindung über Bauprojekte ist dies in der Regel unbedenklich. In den Phasen der Bestandsanalyse, Variantenuntersuchung, Planung und Ausschreibung ist die Verwendung solcher Angaben sogar häufiger anzutreffen.

Es ist jedoch entscheidend, bei der Beschlussfassung über die Sonderumlage solche Zusätze zu entfernen, um Diskussionen über die Gültigkeit oder Wirksamkeit des Beschlusses zu vermeiden.



Fazit für die Gemeinschaft


Die Klage auf Zahlung seitens der GdWE war in diesem Fall recht unsicher. Es ergaben sich zwei mögliche Szenarien: Entweder war der unangefochten gebliebene Beschluss über die Sonderumlage gültig und rechtskräftig oder er war nichtig. Dieses Prozessrisiko sollte der Verwalter oder der beauftragte Rechtsanwalt die GdWE in der Regel vor Einreichung der Klage aufklären.

Gelegentlich können Versammlungsniederschriften aufgrund schlichter Unachtsamkeit fehlerhaft sein. Falls beispielsweise eine „Ca.-Angabe“ fälschlicherweise im Versammlungsprotokoll vermerkt ist, möglicherweise aufgrund eines unbedachten „Copy and Paste“-Vorgangs seitens des Verwalters bei der Erstellung der Beschluss-Sammlung und -protokolls, kann unter Umständen durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden, dass bei der tatsächlichen Abstimmung über die Sonderumlage in der Versammlung ohne den Zusatz „Ca.“ beschlossen wurde. In einem solchen Fall wäre es erforderlich, dass die klagende GdWE dies unter Beweisantritt vorbringt und den Verwalter (Versammlungsleiter) sowie gegebenenfalls Eigentümer, die als Augen- und Ohrenzeugen in der Versammlung anwesend waren und sich konkret an den Ablauf erinnern können, als Zeugen benennt.


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